Dass es zig Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, hat sich inzwischen herumgesprochen. So ist das auch beim divergenten Such- und Kaufverhalten beider Geschlechter.
Mit „Gender Marketing“ kategorisieren Unternehmen ihre zielgerichteten Werbekampagnen für die unterschiedlichen Gewohnheiten von Männern und Frauen. Ein treffendes Beispiel findet sich in der Markenkommunikation von Coca-Cola. Während „Cola Light“ verstärkt weibliche Konsumenten adressiert, zielt „Coke Zero“ auf eine zunehmende Kaufbereitschaft männlicher Konsumenten ab.
Erfolgreiches Marketing (egal ob online oder offline) setzt ein fundiertes Wissen über die betreffende Zielgruppe voraus. Doch was sind die konkreten Unterschiede im Such- und Kaufverhalten zwischen Männern und Frauen? Und worauf muss ich als Unternehmen achten, um bei der markengerechten Ansprache die verschiedenen Interessen und Neigungen beider Geschlechter abzudecken?
Klar ist, dass es sich hierbei um „klassische“ Unterschiede handelt, die eine Tendenz beschreiben und keine allgemeingültige Regel darstellen. Natürlich können Frauen auch „männlich“ shoppen und umgekehrt.
Das haben alle Nutzer beim Suchen und Kaufen im Netz gemeinsam
In erster Linie ist jeder Mensch im Netz ein Nutzer oder „User“, der verschiedene Merkmale im Such- und Kaufverhalten aufweist. Laut einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien sind sowohl Männer als auch Frauen verstärkt dem sogenannten ROPO-Effekt (Research Online, Purchase Offline) ausgesetzt. [1]
Dabei entscheidet vielmehr das Produkt bzw. die Branche, ob ein Nutzer sich online über ein Produkt informiert, um es offline zu kaufen – und nicht das Geschlecht. Während Produkte und Dienstleistungen in den Kategorien „Urlaub und Reisen“ sowie „Unterhaltungselektronik“ verstärkt online gekauft werden, nachdem sich der User bereits im Netz darüber informiert hat, trifft dies für Lebensmittel nach wie vor selten zu.
Im Bereich „Mode und Bekleidung“ informiert sich der Nutzer größtenteils online. Die tatsächlichen Käufe werden gemischt sowohl online als auch offline durchgeführt.

Die Unterschiede beim Such- und Kaufverhalten zwischen Männern und Frauen
Ein prägnanter Unterschied findet sich in der Kaufabsicht. Frauen sehen den Einkauf im Netz eher als Freizeitbeschäftigung, wobei nicht selten auch Spontankäufe realisiert werden. Männer hingegen verfolgen vor dem Kauf bereits ein klares Ziel, bei dessen Erreichung ein konkreter individueller Bedarf gestillt wird.
Diese Ansicht bestätigt Diana Versteege, deren Erkenntnisse auf 15 jähriger Praxiserfahrung als selbstständige Unternehmensberaterin im Bereich eCommerce beruhen. Der „weibliche Kaufprozess“ läuft demnach vergleichsweise etappenweise ab. Bevor Frauen sich für ein bestimmtes Produkt entscheiden, durchlaufen sie gedanklich mehrere Schleifen, die verschiedene Entscheidungskriterien abdecken.[2] [3]
Dabei ist die Ansprache mit „allen Sinnesorganen“ ein wesentlicher Bestandteil. Frauen bevorzugen Einblicke in unterschiedliche, möglichst detailreiche Erlebniswelten.
Mit Hinblick auf das Layout eines Online-Shops tendieren Frauen zum Beispiel dazu, unterbewusst auf eine emotionale und persönliche Gestaltung zu achten. Kleidung sollte also im besten Fall nicht unbewohnt auf der Webseite umherschweben, sondern an echten Körpern von Models zu sehen sein. Die 360°-Betrachtungsweise mit Videofunktion würde dieser Erlebniswelt schließlich das nötige i-Tüpfelchen verleihen.
Darüber hinaus werden Frauen durch soziale Aspekte wie Reviews, Kundenmeinungen und Empfehlungen anderer Käufer hinsichtlich des Kaufverhaltens beeinflusst. Alles in allem suchen Frauen nach der „perfekten Antwort“.
Männer hingegen sind tendenziell auf der Suche nach einer „passenden Lösung“. Während Frauen durch Emotionalität und Persönlichkeit im Design angesprochen werden, sollen für für Männer eher Übersichtlichkeit und Funktionalität zählen. Entscheidungskriterien sollen nicht durch mehrere Schleifen durchleuchtet, sondern verhältnismäßig geradlinig verfolgt werden. Anstelle von Kundenmeinungen sollen sich Männer verstärkt für untermauertes Expertenwissen interessieren. [4]
Beim Durchstöbern einer Webseite oder dem Betrachten spezifischer Produkte in sozialen Netzwerken spielen daher zunehmend rationale Zahlen, Daten und Fakten eine wichtige Rolle. Männer interessieren sich vermehrt für Merkmale von Produkten und welche Vorteile sich daraus für sie ergeben, um schnelle Entscheidungen treffen zu können.

Dass Frauen Online-Shopping tendenziell „hobbymäßig“ betreiben, wird auch durch eine Studie des Marktforschungsinstitutes GfK bestätigt, bei der das Kaufverhalten von über 1,500 Online-Usern in Betracht gezogen wurde.
27 Prozent der befragten Frauen nehmen sich gerne ausgiebig Zeit beim Online-Einkauf. 24 Prozent betrachten das Shoppen im Netz sogar als Freizeitvergnügen. Im Gegenzug gehen nur 13 Prozent der Männer ausgedehnt shoppen und lediglich 11 Prozent sehen darin eine Freizeitbeschäftigung. [5]
Weitere Erkenntnisse offenbaren, dass es in der Tat spezifische „Produktwelten“ gibt, in denen sich eher Frauen bzw. Männer wohlfühlen, wenn es um das Such- und Kaufverhalten im Netz geht. Abseits dieser Tendenzen gibt es natürlich individuelle Geschmäcker, die sich überschneiden können.
Eva Kreienkamp gibt in ihrem Buch „Gender-Marketing“ aufschlussreiche Impulse für Marktforschung, Produkte und Werbung, die das Such- und Kaufverhalten von Männern und Frauen betrifft. Als geschäftsführende Gesellschafterin und Initiatorin des „Gender-Marketing-Kongresses“ zählt sie zu den typisch männlichen Produktwelten zum Beispiel Immobilien, sportliche Autos, Werkzeuge, Unterhaltungselektronik und technische Geräte, Sportartikel oder Anzüge und Krawatten. [6]
Bei den typisch weiblichen Produktwelten verzeichnet sie unter anderem Mode- und Bekleidungsartikel, Kosmetik und Haarpflegeprodukte, Dekoration und Einrichtungsgegenstände, Accessoires oder Produkte für Kinder und Familie.
Ein kleiner Ausblick in die Zukunft
„Mobile first“ gilt inzwischen für jeden Lebensbereich, was auch Konsequenzen für das Such- und Kaufverhalten zwischen Männern und Frauen nach sich zieht. Abgesehen von der nachkommenden Generation Z entwickeln sich auch in älteren Generationen immer mehr „Smart-Natives“, die das Smartphone als primäre Suchfunktion für sich nutzen. Multi-Screening-Gewohnheiten, bei denen zum Beispiel während dem Fernsehen das Smartphone gezückt wird, um Impulskäufe zu realisieren, dürften zukünftig nach wie vor zunehmen.
Darüber hinaus belegt eine Untersuchung des Bitkom (Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien), dass Social Media zum Shopping-Kanal der Zukunft gehören wird. Zwei Drittel (63 Prozent) der Befragten haben nämlich bestätigt, durch die sozialen Netzwerke bereits einen späteren Einkauf durchgeführt zu haben. Bei den 14- bis 29-jährigen ist das sogar bei 83 Prozent der Fall. [7]
Was können Unternehmen aus diesen Erkenntnissen lernen?
Der gezielte Einsatz von Social Media als Inspirations- und Informationsquelle für eigene Produkte und Dienstleistungen bleibt für Unternehmen (neben einer starken Google-Präsenz) im Zuge des „Social Commerce“ unabdingbar.
Abseits der Pflicht eines „responsive Design“ für mobile Endgeräte und inspirierender Werbung durch Social-Media-Kampagnen hängt die Produktwelt von der Online-Kommunikation des Unternehmens ab. Tummeln sie sich eher in „weiblichen“ Produktwelten, empfiehlt sich eine persönlich-emotionale Ansprache, die sich durch ein hochwertiges Design, detailreiche Bilder oder Videos sowie authentische Kundenmeinungen auszeichnet.
Befindet sich der Markt größtenteils in „männlichen“ Produktwelten, lohnt sich eine übersichtliche Webpräsenz, die möglichst auf einen Blick genaue Zahlen, Daten und Fakten zum jeweiligen Produkt preisgibt und durch Expertenwissen, Test- und Vergleichsberichte sowie dem Fokus auf wenige Qualitätsprodukte überzeugt.
Wenn die Zielgruppe in beiden Produktwelten vertreten ist, sollten die Komponenten aus beiden Kommunikationsstrategien berücksichtigt werden, um wirkungsvolle Ergebnisse zu erzielen.
Spannend zu beobachten bleibt, inwieweit Virtual Reality und der daraus resultierende Trend zum „Showrooming“ sowie innovative Funktionen wie die Google Voice Search sich auf das zukünftige Such- und Kaufverhalten bei Männern und Frauen auswirken.
Quellen und wissenschaftliche Studien
[1] https://www.wko.at/service/innovation-technologie-digitalisierung/Mayerhofer_ROPO-Effekt.pdf
[2] https://de.shopware.com/news/mit-shecommerce-den-umsatz-verfuenffachen-interview-mit-diana-versteege/
[3] https://www.internetworld.de/e-commerce/e-business/female-commerce-praeferenzen-1082950.html
[4] https://www.ispo.com/trends/id_79692538/wieso-frauen-auch-im-internet-anders-shoppen-als-maenner.html
[5] https://www.gfk-verein.org/compact/fokusthemen/online-shopping-perfekten-outfit
[6] https://books.google.de/books/about/Gender_Marketing.html?id=6KQNRXrfJ5QC&redir_esc=y
[7] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Online-Shopping-beliebter-als-Einkaufen-im-Laden.html
Grafiken in Anlehnung an
https://www.basecom.de/news/artikel/female-commerce-was-frauen-online-wollen
https://forum.golem.de/kommentare/wirtschaft/schrei-vor-glueck-zalando-macht-eine-halbe-milliarde-euro-umsatz/shopverhalten-von-frauen/65208,3054963,3054963, read.html