2019 stehen Unternehmen vor neuen und altbekannten Herausforderungen. Der Spagat zwischen automatisierten und datengetriebenen Werbebotschaften sowie authentischen Inhalten mit Persönlichkeit erfordert smarte Entscheidungsfähigkeit, hilfreiches Wissen und Feingefühl für die eigene Zielgruppe.
Die folgenden sieben Marketing-Trends können Unternehmen dabei helfen, den Blick für zukünftige Entwicklungen zu schärfen und gewinnbringend für sich zu etablieren.
#1 Usability: Website-Geschwindigkeit und Ladezeiten
Eine medial aufsehenerregende Studie von Microsoft aus dem Jahre 2015 in Kanada zeigt auf, dass die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines erwachsenen Menschen bei gerade einmal 8 Sekunden liegt. Die eines Goldfisches läge bei 9 Sekunden.
[1]
Im Jahr 2000 sollen es immerhin noch 12 Sekunden gewesen sein. Fachsprachlich bezeichnet der Informatik-Professor und Bestseller-Autor Cal Newport dieses Phänomen in seinem Buch Deep Work als „fragmentierte Aufmerksamkeit“. [2]
Verständlich also, dass Unternehmen verstärkt die Ladezeiten ihrer Webseite in Zukunft noch genauer unter die Lupe nehmen sollten. Wer Besucher zu lange warten lässt, verliert potentielle Kunden.In einer Benchmark-Studie von Google zum Thema „mobile page speed“ wird sogar deutlich, dass eine Ladezeit von fünf Sekunden (im Vergleich zu drei Sekunden) die Absprungrate der User (engl. Bounce-Rate) um bis zu 90% erhöhen kann. [3]
Marketing-Entscheider tun also gut daran, einerseits die Dateigrößen des Codes und Ladezeiten sowie implementierter Bilder und Widgets auf Webseiten gering zu halten und andererseits die Verweildauer durch Videos und anregende Überschriften zu erhöhen.Das Thema Usability – insbesondere in Kombination mit Suchmaschinenoptimierung – bleibt demnach weiterhin Trend im Jahr 2019.
Falls Sie wissen möchten, wie Ihre Webseite im Benchmark abschneidet, können Sie diese Tools zum Testen nutzen: - web.dev- webpagetest.org
#2 Social E-Commerce – Die neue Art des Online-Shoppings
Vermehrt fällt in der Marketing-Landschaft der Begriff „Social Currency“. Immer weniger Menschen scrollen sich durch Unternehmenswebsites, wenn es um das Suchen passender Markenprodukte geht. Stattdessen durchstöbern sie den Feed ihres bevorzugten Social-Media-Kanals.
Der „One-Tap-Shop“ wird Wirklichkeit. Gerade für Unternehmen aus der Beauty-, Mode- und Travel-Industrie dürfte dieser Trend an Wichtigkeit gewinnen. Bilder von getragenen Klamotten, Schmuckstücken oder Ausflügen können jetzt mit Price-Tags versehen werden, die es dem User ermöglichen, den Preis der jeweiligen Produkte im Bild aufblenden zu sehen.Darüber hinaus kann der Besucher durch einfachen Klick auf den „Shop“-Tab die Produkte direkt online kaufen, ohne vorher die Plattform verlassen zu müssen. Neben Instagram ermöglicht Snapchat durch die Funktion des „Visual Search“ das Kaufen von Produkten auf Amazon. [4] [5]
Pinterest hat demgemäß die Funktion „Shop-the-Look-Pins“ eingeführt, die den Eigenschaften der Shopping-Tags auf Instagram ähneln. Wer als Unternehmen inspirierende Inneneinrichtung oder Fashion verkauft, könnte mit den käuflichen Pins eine gewinnbringende Wahl treffen. [6]
Eine Studie von GlobalWebIndex bestätigt zudem, dass inzwischen eine von vier Personen ihre Produkte oder Dienstleistungen von einer Social-Media-Plattform aus gekauft haben. [7]
#3 Private Messaging Apps – Die Nähe zum Endkunden
Laut Facebook werden 80% aller Smartphone-Nutzer weltweit bis zum Jahr 2020 eine Mobile-Messaging-App benutzen. Besonders in Zeiten des akribischeren Datenschutzes teilen Menschen ihre Fotos, Videos und Links lieber in Whatsapp oder dem Facebook-Messenger, als diese einer unbekannten Masse in der Öffentlichkeit preiszugeben.
[8]
Begriffe wie „Chatvertising“ oder „Conversational Marketing“ dürften in Zukunft daher zunehmend im Soziolekt fortschrittlich denkender Marketing-Entscheider auftauchen. Die Auseinandersetzung mit der Verschmelzung von Marketing und Private Messaging Apps sollten sich zeitgemäße Unternehmen nicht entgehen lassen.Dies kann zum Beispiel durch Chat-Bots realisiert werden, die zur automatisierten Kommunikation mit Fans und Konsumenten genutzt werden.
#4 Social TV – Konkurrenz zu namhaften Streaming-Diensten
In den letzten zwei Jahren lag vor allem „Live-Video“ auf Social-Media-Plattformen im Trend. Diese Entwicklung führt sich weiterhin fort – mit der einen oder anderen Ergänzung. Die Video-Plattform YouTube verbuchte im Oktober 2018 eine Anzahl von knapp zwei Millionen aktiven Usern und platzierte sich damit knapp hinter dem Spitzenreiter Facebook.
[9]
Auf dem Fundament dieser Reichweite entwickelten sich immer mehr Social-TV-Plattformen, so zum Beispiel Facebook Watch, Instagram TV (IGTV) und YouTube Originals. Daran anknüpfend prognostizieren Studien einen drastischen Anstieg des „Vertical Video-Watching“.
So geht aus einer Befragung des MOVR (Mobile Overview Report) hervor, dass Smartphone-User ihr Gerät zu 94% der Zeit in vertikaler Lage in den Händen halten. [10]Dem kommt Instagram-TV zugute, durch dessen Funktion Unternehmen und Influencer Video-Content von bis zu 60 Minuten für ihre Follower veröffentlichen können. Im herkömmlichen Feed konnten User lediglich Videos einer Länge von bis zu einer Minute teilen.YouTube Originals hingegen plant für das Jahr 2019 weitere 50 Original-Shows, in denen unter anderem auch Berühmtheiten wie Adam Levine oder Robert Downey Jr. auftauchen sollen. [11]
Damit greift die Video-Plattform den Streaming-Riesen Netflix an. Für Unternehmen wiederum ergeben sich weitere Möglichkeiten, in den Videos entsprechende Werbebotschaften zu platzieren.Inwieweit Social-TV mit den etablierten großen Streaming-Anbietern kompetieren kann, wird sich im Jahr 2019 und darüber hinaus zeigen.
#5 Künstliche Intelligenz & Virtuelle Welten – Trends mit ausbaufähigen Technologien
Dass künstliche Intelligenz (KI) auch im deutschen Markt längst angekommen ist, dürfte den wenigsten Menschen entgangen sein. Intelligente Sprachassistenten, verhaltensbasierte Vorhersagen auf Grundlage von Algorithmen oder automatisierte Auswertungen von Big-Data sind bereits jetzt fester Bestandteil der Marketing-Strategie von Unternehmen.
Insbesondere das Thema „Voice Search“ dürfte in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen - sei es durch Alexa, Siri, dem Google Sprachassistenten oder andere Technologien. Glaubt man den Befunden einer aktuellen Gartner-Studie, sollen bereits im Jahr 2020 fast ein Drittel jeder Web-Sitzungen ohne Bildschirm ablaufen.Weiterhin prognostiziert die Studie, dass Unternehmen, die dem Trend des sprachgesteuerten Einkaufens folgen, zukünftig ihren Umsatz im Bereich E-Commerce um 30% gegenüber anderer Firmen erhöhen. [12]
Neben KI zählen Virtual- und Augmented-Reality zu den fortschrittlichen Technologien, die 2019 weiter im Trend liegen. Ähnlich wie bei KI ermöglichen Virtual- und Mixed-Reality eine auf Computerprogrammen basierte Interaktion mit dem User, wobei über spezielle Geräte wie etwa einer VR-Brille das Eintauchen in virtuelle Welten simuliert wird.Im Gegensatz zu Virtual Reality bezeichnet Augmented- oder Mixed-Reality eine „erweiterte Realität“, die als Zusammenschluss einer virtuellen sowie der realen Welt fungiert. Gerade für den Einrichtungsmarkt ergeben sich dabei lukrative Möglichkeiten, indem Kunden zum Beispiel ihr bevorzugtes Möbelstück virtuell zu sich ins Wohnzimmer „transportieren“ und den Gegenstand in den eigenen vier Wänden wirken lassen. [18]
Die „Hololens“ von Microsoft beispielsweise soll 2019 in einer neueren verbesserten Version auf den Markt kommen. Mithilfe der innovativen Brille lassen sich ebenfalls digitale Elemente in die Realität „einfügen“. Dem Konsumenten entfällt also die Notwendigkeit, die gewünschten Produkte in einem dafür errichteten Showroom zu betrachten. [13] Darüber hinaus dürfte die Nutzung biometrischer Daten zukünftig stärker fokussiert werden. Einige Smartphone-User benutzen bereits heute ihren Fingerabdruck zum Entsperren des Bildschirms. Dieser Prozess lässt sich auch auf Zahlungsabwicklungen im Internet auswirken.
Das innovative Zahlungssystem „Apple Pay“ schreitet dabei als treffendes Beispiel voran, wobei Nutzer über ihre mobilen Geräten in Restaurants, Geschäften oder Taxis bezahlen können. Die Authentifizierung erfolgt dabei unter anderem über Face ID. [19]
Laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes IFH Köln können sich mehr als die Hälfte der befragten Konsumenten vorstellen, eine Online-Bestellung mittels biometrischer Authentifizierung zu realisieren. [14]
Auch wenn KI in Unternehmen bereits Bestandteil der Marketing-Strategie ist, befinden sich viele Technologien noch in der Entwicklung und sind dementsprechend ausbaufähig. Welche konkreten Möglichkeiten sich auch in Zukunft für Unternehmen offenbaren, wird sich zeigen.
#6 Der Umgang mit kundenspezifischen Daten
Seit Erneuerung der DSGVO sind Unternehmen vorsichtiger im Umgang mit personenbezogenen Daten geworden – und das zu Recht. Im Dschungel des reizüberfluteten Konsumangebots wünschen sich Webseiten-Besucher seriöse Werbelandschaften, die relevante und vertrauenswürdige Inhalte bereitstellen. Personenbezogene Daten sollten also bestenfalls nicht nur analysiert, sondern in die Marketing-Strategie der Unternehmen integriert werden. Wer freiwillig seine Daten hergibt, erwartet passende und personalisierte Angebote im Gegenzug.
Daher dürften sogenannte „Customer-Data“-Plattformen als Schlüssel für integrierte Kundendaten zukünftig im Trend liegen. Sie ermöglichen die Zusammenkunft verschiedener Kundenprofile und Informationen aus Social Media, Webshops, Interaktion auf dem Smartphone oder der E-Mail-Kommunikation.
[15]
Auf dieser Grundlage stehen Unternehmen das Anbieten personalisierter Werbebotschaften nicht mehr im Wege.
#7 Purpose-Driven-Marketing – Was ist die Botschaft hinter dem Produkt?
Purpose-Driven-Marketing klingt nach einem weiteren Buzzword, das neuwertige Trends der Marketing-Landschaft beschreibt. Und genau so ist es. Naheliegend ist die Übersetzung des „zweckmäßigen Marketings“, doch selbst diese Bezeichnung zieht eine eher schwammige Bedeutung und zuckende Schultern nach sich.
Für Jim Stengel - ehemals Global Marketing Officer bei Procter & Gamble - geht es beim Purpose-driven-Marketing kurz umrissen darum, was Unternehmen abgesehen vom Geldverdienen am Markt ausmacht und wie sie dadurch das Leben ihrer Kunden verbessern können. [16]
Firmen dürfen sich in Zukunft also wieder Gedanken um ihre Core Values machen und diese im besten Fall mit ihren Konsumenten teilen. „Auf welche Frage möchte ich in meinem Unternehmen die Antwort sein?“ oder „Welche Werte möchten wir mit unserem Unternehmen an die Zielgruppe tragen?“ sind Denkanstöße, welche die Sinnhaftigkeit des Tuns wieder in den Fokus rücken. Darüber hinaus sind Testimonials oder Reports von gelungenen Projekten eine gute Devise, dem Kunden den prägenden Nutzen des Unternehmens aufzuzeigen.
Ein passendes Beispiel für Purpose-driven-Marketing findet sich in der Kampagne „Selbstwertgefühl-Projekt“ der Pflegemarke DOVE. Es wird nicht der Zweck erfüllt, Pflegeprodukte zu verkaufen, sondern Schönheit, die aus der Quelle des eigenen Selbstwertgefühls entspringt. [17]
Fazit
Kunden sehnen sich einerseits nach unterhaltsamen Erlebnissen, andererseits nach Seriosität und Vertrauenswürdigkeit. Sie möchten ohne Wartezeit auf Inhalte zugreifen, ohne danach von unerwünschten Werbeblöcken überschwemmt zu werden.
Die Gewohnheiten, Vorlieben und Interessen von Konsumenten können sich verändern - genau wie die Verpackung und der Zugang für deren Befriedigung. Um als Unternehmen relevante Inhalte mit Mehrwert anzubieten, bedarf es ständiger Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung hinsichtlich der eigenen Zielgruppe.
Neue Trends sollen und dürfen ausprobiert werden. Es sollte allerdings nicht in Vergessenheit geraten, die daraus resultierenden Erkenntnisse (und Daten) für zukünftige Marketing-Maßnahmen zu berücksichtigen und zu integrieren.
Quellen und Wissenschaftliche Studien
[1] time.com/3858309/attention-spans-goldfish/
[2] calnewport.com/books/deep-work/
[3] thinkwithgoogle.com/marketing-resources/data-measurement/mobile-page-speed-new-industry-benchmarks/
[4] business.instagram.com/blog/shopping-on-instagram-goes-global/
[5] snap.com/en-US/news/post/introducing-visual-search
[6] business.pinterest.com/en/shop-the-look-pins
[7] blog.globalwebindex.com/chart-of-the-week/how-social-is-social-media/
[8] facebook.com/business/news/insights/shifts-for-2020-mobile-service-economy
[9] statista.com/statistics/272014/global-social-networks-ranked-by-number-of-users/
[10] data.wurfl.io/MOVR/pdf/2014_q4/MOVR_2014_q4.pdf
[11] onlinemarketing.de/wp-content/uploads/2019/01/falconio-2019-digital-marketing-trends-handbook.pdf
[12] gartner.com/en/newsroom/press-releases/2018-02-19-gartner-says-25-percent-of-customer-service-operations-will-use-virtual-customer-assistants-by-2020
[13] thurrott.com/hardware/161229/microsofts-next-gen-hololens-codenamed-sydney-arrives-q1-2019
[14] ifhkoeln.de/pressemitteilungen/details/bezahlen-per-fingerabdruck-biometrie-loesungen-auf-dem-vormarsch/
[15] selligent.com/de/blogs/data/die-zukunft-im-marketing-gehoert-customer-data-platforms-cdps
[16] contentmarketinginstitute.com/2018/07/purpose-marketing-brands/
[17] dove.com/uk/dove-self-esteem-project/our-mission.html
[18] morethandigital.info/virtual-reality-vs-augmented-reality/
[19] support.apple.com/de-de/HT201239