Wie sieht der Arbeitsplatz von morgen aus? Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, attraktive Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiter zu schaffen, die angenehmes, produktives Arbeiten ermöglichen und gleichzeitig alle Anforderungen der Digitalisierung erfüllen.
In der Marketingwelt (aber auch in der Politik) ist der Begriff „Industrie 4.0“ schon seit einigen Jahren präsent. Typische Aspekte dieser „vierten industriellen Revolution“ sind zum Beispiel die Individualisierung von Produkten oder die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, so etwa durch 3D-Drucker, Künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge.
[1]Daraus resultieren immer mehr Arbeitsplätze, die digital ausgerichtet und ausgestattet sind. Digital Workplaces erfreuen sich bereits heute wachsender Beliebtheit. Immer mehr Selbständige und Freelancer werden zu „digitalen Nomaden“, die ihren Service ortsungebunden über das Internet ausüben und dadurch einen neuen Lifestyle prägen. [2]
Auch größere Organisationen transformieren sich zunehmend zu agilen Unternehmen, die verschiedene Tools, Software, Geräte und Prozesse nutzen, um „Digital Work“ zu ermöglichen. Einhergehend mit den sich ständig verändernden Prozessen und neuen Technologien bleiben einige offene Fragen in Bezug auf die Arbeitswelt von morgen.
Wie könnte der „Arbeitsplatz 4.0“ aussehen? Was müssen Unternehmen beachten, um bei stetiger Veränderung durch den digital-technologischen Fortschritt flexibel zu bleiben? Brauchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Zukunft überhaupt noch ein Büro? Was spricht dafür – was dagegen?
Hier sind ein paar Impulse und Denkanstöße.
Wie könnte der „Arbeitsplatz 4.0“ von morgen aussehen?
Niemand kann durch eine Glaskugel in die Zukunft schauen. Dennoch kommen bereits heute verschiedene Aspekte des digitalen Arbeitens zum Tragen, die zukünftig weiter ausgebaut und praktiziert werden.
Besonders in der jüngeren Generation ist die Gestaltung des Arbeitsplatzes inklusive die daraus hervorgehenden Arbeitsbedingungen ein entscheidendes Kriterium für oder gegen das Annehmen einer Stelle im Unternehmen.
Das Marktforschungsunternehmen OnePoll hat zu diesem Thema eine Umfrage mit über 1,000 Arbeitnehmern in Deutschland durchgeführt. Im Ergebnis haben über 19 Prozent der 25- bis 34-Jährigen eine Arbeitsstelle aufgrund des schlechten Bürodesigns nicht angenommen. Zwölf Prozent derselben Altersgruppe haben aus diesem Grund bereits gekündigt. Bei den 35- bis 44-Jährigen sind es 15 Prozent, die ein schlecht designtes Büro als Ausschlusskriterium bei der Jobauswahl sehen. [3]
Jeder Vierte aus derselben Befragung schlägt Räume für informelle Meetings vor. Fast dieselbe Anzahl der Studienteilnehmer wünscht sich allerdings abgetrennte Räume für einen möglichen Rückzug. Das Zusammenspiel aus Gemeinschaft und Privatheit soll den Arbeitnehmern erfolgreiche Zusammenarbeit im Team sowie Produktivität für fokussierte Arbeitsphasen ermöglichen. Dieser Hybrid aus abgetrennten und offenen Räumen ist eine erste Empfehlung für den Arbeitsplatz 4.0. [4]
Ein weiterer Trend findet sich im so genannten Desk-Sharing, bei dem die Mitarbeiter flexible Bürokonzepte und Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt bekommen. Demgemäß gibt es „den einen“ Arbeitsplatz nicht mehr.
Über Arbeitsplatzbuchungssoftware, häufig auch als App verfügbar, können sich die Arbeitnehmer vor Beginn der Arbeit einen geeigneten Platz buchen. Auf diese Weise sitzen die Mitarbeiter nicht immer neben denselben Kollegen und erweitern ihre Teamarbeit im Unternehmen.
Passend zu solch agilen Büroarbeitsplätzen können die Beschäftigten ihre persönliche Dokumente und anderen „Papierkram“ mit Rollcontainern hin- und herschieben, um sie am Ende des Arbeitstages wieder zurück in den dafür vorgesehenen Schrank zu rollen. [5] [6]
Darüber hinaus steigt die Tendenz der auf Gesundheit und Ergonomie optimierten Arbeitsplätze stark an. Inzwischen soll laut Industrieverband Büro und Arbeitswelt etwa jeder zweite Schreibtisch höhenverstellbar sein, um abwechselnd im Sitzen und Stehen arbeiten zu können.
Passend zu Industrie 4.0 sind die hochmodernen Varianten über App steuerbar oder mit Sensoren über ein Computerprogramm verknüpft, die dem Arbeitenden in regelmäßigen Abständen signalisieren, wann es wieder Zeit wird, im Stehen zu arbeiten oder sich zu bewegen. [7]
Im Übrigen sind die „üblichen Benefits“ zur Beisteuerung einer motivierenden und angenehmen Arbeitsatmosphäre weiter gerne gesehen und erwünscht. Dazu zählen zum Beispiel das kostenlose Bereitstellen von Wasser, Kaffee und Obst sowie offene und helle Räume. Diese Anforderungen werden zum Beispiel von den Gewinnern des „Best Workplace Award“ aus dem Jahr 2018 erfüllt. [8]
Allgemein gewinnt das Erschaffen und Erhalten von Wohlbefinden am Arbeitsplätz sowie eine wertschätzende Unternehmenskultur zunehmend an Wichtigkeit. So soll es laut Experten im letzten Jahr circa 500 „Feelgood Manager“ im deutschsprachigen Raum gegeben haben mit einer steigenden Tendenz.
Sie arbeiten als Schnittstelle von Mensch, Kommunikation, Workflow, Wissensaustausch und Führung und besitzen die Aufgabe, die Leistung und Freude am Arbeitsplatz durch Wertschätzung zu begünstigen. [9]
Vorteile, Nachteile, Chancen und Herausforderungen von „Büro 4.0“
Im Jahr 2016 hat Microsoft 1,100 Arbeitsplätze für 1,900 Mitarbeiter aufstellen lassen. Beim Managementberatungs- und Technologiedienstleister Accenture kommen durchschnittlich sieben Mitarbeiter auf einen Arbeitsplatz. Daraus resultieren deutlich sinkende Kosten für die Büroeinrichtung. Experten zufolge sollen flexibel genutzte Büros die Raumkosten zukünftig um bis zu 60 Prozent senken.
[10]Remote Work mit virtuellen Teams und dem Arbeiten vom Home-Office bieten den entscheidenden Vorteil, zeitlich und geographisch ungebunden arbeiten zu können. Moderne CRM-Systeme, Projektmanagement-Tools und Cloud-Speicherplätze sorgen zudem dafür, die Arbeit von überall produktiv und effizient zu erledigen. Die soziale Interaktion mit Kollegen ist für Freelancer im Home-Office nicht gegeben – obwohl sie diesem Bedürfnis durch das Arbeiten in Co-Working-Spaces nachgehen können.
Ein Nachteil der sich sind ständig wechselnden Arbeitsplätze sind laut Arbeitspsychologen die „emotionalen Kosten“, die durch Verbindlichkeits- und Bindungsverlust charakterisiert werden. Dadurch können Mitarbeiter untereinander keinen intensiveren Kontakt über einen längeren Zeitraum aufbauen, weil sie permanent an einem neuen Arbeitsplatz mit neuen Kollegen arbeiten. [11]
Darüber hinaus stehen Unternehmen vor der Herausforderung, die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Altersgruppen mit Hinblick auf die Arbeitsplatzgestaltung unter einen Hut zu bringen. Ergebnisse einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zeigen, dass jüngere Menschen eher gewillt sind, sich auf flexible Arbeitsplätze einzulassen und sich diese sogar wünschen. Das betrifft insbesondere Anhänger der Generation Y und Z, die mit Smartphones und Tablets aufgewachsen sind. Der älteren Generation ab 45 Jahren fällt diese Umstellung allerdings schwerer. [12]
Im Auftrag des Fraunhofer-Instituts ist ebenfalls die umfangreiche Studie „Office Analytics“ entstanden, um den Bedingungen für eine optimale Bürogestaltung auf den Grund zu gehen. Ein zentraler Aspekt ist dabei das Anpassen der Arbeitsumgebung an verschiedene Mitarbeitertypen und Arbeitsstile.
Die Studie stellt dabei sieben wesentliche Arbeitstypen heraus. Der „Thinker“ charakterisiert sich durch konzentrierte Arbeiten in Stille und ist zudem öfter außerhalb des Büros unterwegs. „Silent Worker“ verlassen hingegen nur selten ihr Büro für Meetings und verbringen die Arbeitszeit größtenteils am selben Platz. „Hands-on“-Arbeiter wechseln häufig zwischen Büro und Werkstatt oder Labor.
„Caller“ sind in viele Projekte involviert, telefonieren viel und verbringen selten lange Zeit an einer einzigen Tätigkeit. Der „Communicator“ ist oft intern unterwegs, um bestimmte Anliegen mit Kollegen zu besprechen.
„Hypercross“ kennzeichnen alle Mitarbeiter, die „überall und nirgendwo“ sind. Sie sprechen oft mit Kollegen, sind wenig am Arbeitsplatz und häufiger in spontanen Meetings. Zu guter Letzt gibt es den „Traveller“, der fast immer unterwegs ist – sei es auf Geschäftsreise, zuhause oder im Büro. Vor Ort sind Traveller meist nur in Besprechungsräumen zu finden. [13] [14]
Das heißt natürlich nicht, dass jeder einzelne Arbeitsplatz für jeden einzelnen Mitarbeiter personalisiert werden sollte. Gerade in großen Unternehmen wäre dies logistisch und in puncto Kosteneffizient nur schwer zu realisieren.
Nichtsdestotrotz kann die Orientierung der verschiedenen Arbeitsstile dabei helfen, die Anzahl und Positionierung der Einzel-, Zwei-Personen-, Gruppen- oder Kombibüros auf Basis der mehrheitlich vertretenden Mitarbeitertypen im Unternehmen zu gestalten.
Fazit: Brauchen wir heute noch ein Büro? Jein.
Die Frage, ob Unternehmen in Zukunft weiterhin ein Büro brauchen, hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann weder mit „Ja“ noch mit „Nein“ beantwortet werden. Das „perfekte“ Büro gibt es nicht, da nicht jeder einzelne Wunsch verschiedenartiger Mitarbeiter gleichzeitig erfüllt werden kann.
Des Weiteren sind die Branche und die Position abhängig davon, inwieweit eine physische Arbeitsumgebung notwendig ist. Freelancer, die auf selbstständiger Basis Webdesign oder Suchmaschinenoptimierung anbieten, brauchen per se keinen Arbeitsplatz in Form eines Büros. Für Architekten, die auf Meetings mit Behörden, Investoren und Bauunternehmen angewiesen sind, ist eine entsprechende Arbeitsplatzgestaltung hingegen sinnvoll.
Ob Maschinen und digitale Technologien zukünftig jedwede Form von handwerklicher Arbeit ersetzen können, bleibt fraglich. Falls ja, ist diese Zukunft wohl (noch) nicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu erwarten, sondern darüber hinaus. Die Nutzung von Co-Working-Spaces beweist zudem, dass der „Durst“ nach sozialer Interaktion weiterhin im Naturell der menschlichen Natur liegt – nicht nur im Privatleben.
Die Tendenz aus Studien und bereits etablierten Arbeitsplatzsystemen der Industrie 4.0 zeigt, dass Büros immer agiler und personalisierter werden und im Sinne der Digitalisierung in Technologien der Künstlichen Intelligenz oder „Internet of Things“ eingebettet sind.
Quellen und wissenschaftliche Studien:[1] https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/industrie-40-54032
[2] https://digitaleweltmagazin.de/2017/03/14/digitale-nomaden/
[3] https://www.wiwo.de/erfolg/beruf/arbeitsplatz-gestaltung-immer-mehr-arbeitnehmer-kuendigen-weil-ihnen-das-buero-nicht-gefaellt/22657668.html
[4] https://www.marktforschung.de/aktuelles/meinung/marktforschung/kuendigungsgrund-bueroausstattung/
[5] https://www.raumverwaltung.de/produkte/desk-sharing/
[6] https://www.condecosoftware.com/de/produkte/arbeitsumgebungen/
[7] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schoener-schuften-wie-das-buero-von-morgen-aussieht/21248256.html
[8] https://iba.online/inspirationen/best-workplace-award/
[9] https://www.haufe-akademie.de/blog/themen/assistenz-und-office-management/feelgood-manager-leistung-und-freude-steigern-durch-wertschaetzung/
[10] https://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/beruf/moderne-buerokonzepte-schreibtisch-verzweifelt-gesucht-15333488.html
[11] https://arbeitsplatz40.de/desk-sharing-bei-siemens/
[12] https://www.netzpiloten.de/desksharing-arbeit-zukunft-kreativer-arbeitsplatz/
[13] https://www.iao.fraunhofer.de/lang-de/presse-und-medien/aktuelles/2013-fuer-jeden-arbeitstypen-das-passende-buero.html
[14] https://business-user.de/arbeitswelt/wie-arbeitstypen-und-stile-die-bueroplanung-beeinflussen/