Werbung umgibt uns überall: Fachleute gehen inzwischen davon aus, dass jeder Einzelne heutzutage mit bis zu 13.000 Werbebotschaften pro Tag konfrontiert wird. Bei einem 16-stündigen “Wachzustand” wäre dies rund 13,6 Werbenachrichten pro Sekunde.
Auch wenn die gesamte Flut an Werbung niemals vollständig konsumiert werden kann und die „Werbeblindheit“ bereits nach etwa 3.000 Botschaften eintreten soll [1], entfacht sie bewusst und unterbewusst ihre Wirkung. Kinder und Jugendliche sind dabei anderen Einflussfaktoren ausgesetzt, als dies bei älteren Generationen der Fall gewesen ist. Denn durch die kulturellen Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung nehmen vor allem Social Media und Influencer eine zunehmend stärkere Rolle als Werbewirkungsfaktor für junge Heranwachsende ein. Ob diese Entwicklungen sich negativ oder positiv auf das (Konsum-)Verhalten auswirkt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.
Wer beeinflusst Kinder und Jugendliche?
Das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen wird laut Marketingwissenschaftler Werner Kroeber-Riel durch zwei grob einzuteilende Komponenten geprägt – einerseits durch Vorleben der Eltern und andererseits durch das soziale Umfeld von Gleichaltrigen und Werbebotschaften, die die Heranwachsenden konsumieren.
Die Eltern beeinflussen ihre Kinder eher in rational-praktischer Hinsicht, zum Beispiel durch erzieherische Maßnahmen wie das Informieren über für sie „sinnvolle“ Produkte sowie durch das persönliche Einkaufsverhalten. So beobachten Kinder dieses Verhalten zum Beispiel und lernen daraus. 2
Der Einfluss durch Gleichaltrige und Werbung in verschiedenen Medien richtet das Konsumverhalten hingegen verstärkt in emotional-expressiver Weise aus. Dabei wird häufig die Vorliebe zu bestimmten Produkten oder Marken ausgeprägt. Hierbei kommt unter anderem der sogenannte „Mere-Exposure-Effekt“ zum Tragen. Er beruht auf emotional-psychologischen Dynamiken, der besagt, dass allein die wiederholte Darbietung von Reizen (vor allem in Form von Werbung) zur Folge hat, dass der oder die Betrachtende eine positivere Einstellung zu diesen hegt. 3
Die Wirkung dieses Effekts kann durch unterschiedliche Bedingungen verstärkt werden, so zum Beispiel durch die soziale Umwelt (Familie, Freunde und Gleichaltrige) und die Medien, mit denen Kinder und Jugendlich am meisten durch Werbebotschaften konfrontiert sind.
Laut Kroeber-Riel konnte das Fernsehen im Jahr 2004 als Leitmedium für Heranwachsende angesehen werden. Hierzu spielte erneut das Verhalten der Eltern eine Rolle, da deren Fernsehkonsum wiederum beeinflusste, ob die Kinder weniger Fernsehen oder zu „Vielsehern“ wurden. 4
Die Digitalisierung hat hinsichtlich des Konsumentenverhaltens deutliche Veränderungen hervorgebracht. Eine aktuelle Studie des Rates “Kulturelle Bildung” aus dem Jahr 2019 deckt auf, dass unter allen Befragten der zwölf bis 19-jährigen Jugendlichen die Videoplattform YouTube mit 86 Prozent der jungen Konsumenten als dominantes Medium bezeichnet werden kann.
Streng genommen liegt der Instant-Messenger Whatsapp mit 92 Prozent der Befragten an der Spitze als Leitmedium. Darin werden allerdings viele Videos von YouTube versendet und die Werbung per se nicht direkt innerhalb der App konsumiert, sondern auf weiterführenden Plattformen, die über Whatsapp geteilt wurden. Die Plätze drei und vier teilen sich übrigens Instagram und Facebook mit einem jeweiligen Nutzungsanteil von 61 Prozent. 15
Werbung goes Digital
Gleichwohl viele Aspekte nach wie vor ihre Gültigkeit besitzen, hat sich das Konsumverhalten der Jugendlichen durch die Digitalisierung erheblich verändert. Das gilt insbesondere für die Generation Z, deren Vertreter als „Digital Natives“ eine Welt ohne digitale Plattformen gar nicht vertraut oder zumindest fremd ist.
Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstitutes Appinio kann das Videoportal YouTube als „das neue Fernsehen“ betrachtet werden (Deutschland, Anfang 2018). Dabei wurden über 1900 junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren befragt, von denen 65% angaben, die Videoplattform gegenüber dem herkömmlichen Fernsehen zu präferieren.5
Rund ein Drittel (66%) nutzt YouTube täglich, 17% mehrmals die Woche und 6% einmal die Woche. Lediglich 0,01% gaben an, niemals auf der Videoplattform als Konsument tätig zu sein.
Musikvideos werden dabei am meisten angeschaut, mit 57% trifft das auf mehr die Hälfte der Studienteilnehmer. Danach folgen Reise-, Rezept-, Sport- und Workout-Videos mit jeweils 15% sowie Modetipps und Werbespots mit 14%. 6

Betrachtet man sich die bevorzugten Interessensgebiete hinsichtlich des Medienkonsums von Jugendlichen näher, fällt schnell auf, dass insbesondere die Reise-, Food-, Sport- und Modeindustrie prädestinierte Themen für Blogger und Influencer sind. Diese wiederum werben immer stärker als personifiziertes Marketinginstrument für etablierte Firmen auf Instagram, YouTube, Snapchat, Twitter oder Facebook.
Bereits im Jahr 2017 sollen laut Statistiken 68% aller Unternehmen in Deutschland Budget für Influencer-Marketing ausgegeben haben. Im selben Jahr soll der Anteil der Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren, die ein Produkt gekauft haben, weil ein berühmter Influencer, Blogger oder eine prominente Person dafür geworben hat, bei 50% gelegen haben. 7
Werbebotschaften durch Influencer haben eine starke Wirkung auf Kinder und Jugendliche.
Wie eine Studie der Marketing-Plattform Influry beweist, können Kinder und Jugendliche oft nicht zwischen Werbung und „normalen“ Posts auf Social-Media-Kanälen von bekannten Persönlichkeiten unterscheiden, was zum Teil an den nur schwer sichtbaren Hinweisen wie „Anzeige“ oder „Sponsored Post“ in den entsprechenden Beiträgen liegt. Bei dieser Untersuchung wurden über 1600 InternetnutzerInnen über 14 Jahre in Deutschland zu ihrem Informations- und Kaufverhalten auf Social-Media befragt. Besonders junge Menschen zwischen 14 und 17 Jahren messen der Meinung von Influencern eine große Bedeutung zu.
Demnach informieren sich 36% über Produkte vor dem Kauf auf Instagram, YouTube und Co. Außerdem finden 41% der Befragten ihre Idole im Internet besonders glaubwürdig. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Influencer nicht nur eine starke Werbewirkung auf Jugendliche haben, sondern vermehrt als Vorbild fungieren.8
Die „Vorbildfunktion“ von Influencern für Jugendliche wird durch eine aktuelle Umfrage von Bitkom untermauert, die sich auf Marktforschung für die Digitalwirtschaft spezialisiert hat. Demzufolge seien „YouTube-Stars“ und Influencer bei Jugendlichen inzwischen beliebter als Sportler und Schauspieler. Darüber hinaus wäre jeder Dritte gerne Influencer. Ebenso wurde verstärkt der Berufswunsch „YouTuber“ als Antwort genannt für die zukünftige Lebensgestaltung. 9
Social-Media, Influencer und ihre Werbewirkung
Inwieweit die Werbung eine positive oder negative Auswirkung auf Jugendliche hat, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Natürlich spielen das Elternhaus, das soziale Umfeld im Beisammensein Gleichaltriger und die Auswahl sowie Intensität des Konsums von Medien dabei eine fundamentale Rolle. Doch konnten der heutigen Werbung – insbesondere Social-Media – bereits einige negative Auswirkungen nachgewiesen werden, die sich vor allem auf das eigene Selbstbild und das Selbstbewusstsein von InternetnutzerInnen bezieht.
Bei einer weltweiten Umfrage des Marktforschungsinstituts Toluna wurde der Zusammenhang zwischen Social-Media-Konsum und geistiger Gesundheit bei Personen über 16 Jahren näher untersucht. Dabei fielen über 1000 Teilnehmer aus Deutschland ins Gewicht.
Eine prägende Erkenntnis war, dass jeder vierte Deutsche nach ausführlicher Nutzung von Facebook, Instagram und anderen Social-Media-Plattformen Niedergeschlagenheit und Neid empfindet, was vor allem der Vergleich zwischen „Gefällt-mir“-Klicks unter Freunden oder Followern bewirkt.
Das beinhaltet auch Influencer, die Werbung für ausgewählte Produkte machen und gemeinhin eine hohe Followerschaft sowie eine große Anzahl an Likes vorzuweisen haben.
Des Weiteren sollen sich über 55% der Social-Media-NutzerInnen in Deutschland über Freundschaften ärgern, die virtuell „gekündigt“ wurden. Ebenso seien 52% der Befragten empört über kritische Kommentare unter ihren Posts. 48% sollen sogar glauben, dass ihre virtuellen Freunde ein besseres Leben führen als sie selbst. 10
Eine Langzeitstudie der American Psychological Association (APA) hat zudem den Zusammenhang zwischen Social-Media-Nutzung und Depressionen belegen können, die vor allem durch sozialen Druck nach Anerkennung, virtuelle Konkurrenzkämpfe und verzerrte Realitäten entsteht.
Zwischen 2005 und 2017 wurden die Probanden jedes Jahr anhand eines umfassenden Fragebogens über deren psychische Gesundheit befragt. Insgesamt belief sich die Dichte der Teilnehmer auf über 200.000 Jugendliche unter 18 Jahren und 400.000 Erwachsene.
Eine zentrale Feststellung ist, dass die kulturellen Veränderungen der letzten Jahre durch die Digitalisierung einen signifikant höheren Einfluss auf junge als auf ältere Menschen haben. So stiegen die Suizid-Gedanken im Zeitraum der Befragung bei den Erwachsenen um 47%. Bei den jungen Erwachsenen ist der Anteil sogar um 52% gestiegen.
Einen besonders großen Anstieg von psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen verzeichnete die Studie im Jahr 2011, was in etwa dem Zeitpunkt entspricht, als Social-Media besonders populär in der Gesellschaft wurde. 11 12
Auch britische Forscher der Royal Society of Public Health konnten in der Studie „#SatusofMind“ feststellen, dass Jugendliche, die mehr als zwei Stunden pro Tag auf Facebook, Instagram oder Twitter online sind, verstärkt Symptome von Depressionen aufweisen. 13
Des Weiteren sei eine zunehmende Befürwortung von Schönheitsoperationen die Folge von verkörperten Schönheitsidealen durch Influencer und dem daraus resultierenden Vergleich mit dem eigenen Körper.
Positive Auswirkungen durch Social-Media-Werbung und Influencer seien hingegen die verstärkte Beschäftigung mit Gesundheitsthemen sowie das Beitreten von Gruppen und Gleichgesinnten, die sich trotz geographischer Entfernung miteinander austauschen können und ein Gefühl von Gemeinschaft erzeugen. 14
FAZIT:
Jugendliche sind anderen und vermehrten Werbebotschaften ausgesetzt, als dies vor der Digitalisierung und Social Media der Fall gewesen ist. Das gilt insbesondere für Anhänger der Generationen Y und Z.
Auswirkungen in Form von verstärkten Symptomen depressiver Verstimmung, Niedergeschlagenheit, Neid oder sogar suizidaler Gedanken können vor allem Werbebotschaften in Social Media nach sich ziehen, die von Influencern verbreitet werden, die Jugendliche als Vorbildfunktion ansehen.
Positiv zu betrachten ist die zunehmende Auseinandersetzung mit Gesundheitsthemen, allgemein die Nutzung der digitalen Plattformen als Weiterbildungsmaßnahme sowie das Verbinden mit Gleichgesinnten in Gruppen sowie das Aufrechterhalten alter Freundschaften.
Eltern können den negativen Auswirkungen durch Werbebotschaften entgegenwirken, indem sie Kindern und Jugendlichen frühzeitig den bewussten Umgang mit Social Media näher bringen, vorleben und über die möglichen Folgen intensiven Konsumverhaltens informieren.
Quellen und wissenschaftliche Studien:
[1] https://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/werbesprech-nie-war-die-botschaft-so-wertlos-wie-heute/23163046.html
[2] https://www.amazon.de/Konsumentenverhalten-Werner-Kroeber-Riel/dp/3800629313
[3] http://www.werbepsychologie-online.com/index.php/beilaeufigkeit/mere-exposure-effekt
[4] https://www.grin.com/document/29550
[5] https://www.adzine.de/2018/01/fuer-generation-z-ist-youtube-das-neue-fernsehen/
[6] https://www.marktforschung.de/aktuelles/marktforschung/generation-z-youtube-ist-das-neue-fernsehen/
[7] https://de.statista.com/themen/3754/influencer-marketing/#dossierSummary__chapter5
[8] https://www.schau-hin.info/studien/studie-zeigt-influencerinnen-beeinflussen-jugend
[9] https://www.tagesspiegel.de/berlin/die-influencer-industrie-das-ist-schon-clever-gemacht/22601924-2.html
[10] https://www.channelpartner.de/a/depression-durch-social-media,3049395
[11] https://www.focus.de/kultur/leben/studie-belegt-zusammenhang-zwischen-social-media-und-depressionen_id_10492251.html
[12] https://www.apa.org/news/press/releases/2019/03/mental-health-adults
[13] https://www.rsph.org.uk/our-work/campaigns/status-of-mind.html
[14] https://www.wp.de/leben/digital/wie-social-media-die-psyche-beeinflusst-id215073023.html
[15] https://www.rat-kulturelle-bildung.de/fileadmin/user_upload/pdf/Studie_YouTube_Webversion_final.pdf