Daten sind der Rohstoff der Zukunft. Die Interaktion und Handhabung dieser Informationsblöcke wird bereits heute von Technologien gestützt, die auf Künstlicher Intelligenz beruhen. Ob wir in Zukunft in einem „Roboterstaat“ leben, in dem Künstliche Intelligenz lebensdienliche und intelligentere Entscheidungen trifft als der Mensch, steht nach wie vor zur Debatte.
Um dieses Szenario besser beurteilen zu können, lohnt sich der Blick auf die Entwicklung der Digitalisierung sowie mögliche gesellschaftliche Bereiche, in denen Künstliche Intelligenz sinnvoll eingesetzt werden könnte.
Wie hat die Künstliche Intelligenz sich ihren Weg in unserem Alltag gebahnt?
Der technologische Fortschritt in der Digitalisierung steigt exponentiell an. Zudem gehen Zukunfts- und Innovationsforscher davon aus, dass das menschliche Wissen sich heutzutage bereits alle 18 Monate verdoppelt. Als logische Konsequenz führt die Anhäufung von Wissen – gesetzt dem Fall es wird danach gehandelt – zu neuen Geschäftsmodellen, Produkten, Technologien und Dienstleistungen. Anhand der Entwicklung der Digitalisierung lässt sich dieser rasante Anstieg leicht nachvollziehen.
Während das Internet in den 90er Jahren mehr oder weniger als reine Informationsplattform diente, sorgte die New Economy ab 2000 mit den ersten Online-Shops und anderen digitalen Geschäftsmodellen dafür, die zuvor herkömmlichen Händler vom Markt zu drängen bzw. stark mit diesen zu konkurrieren. 1
Kurze Zeit später kamen die nutzergenerierten Inhalte mit Web 2.0 und dem Aufblühen der Social-Media-Plattformen, so auch das allseits bekannte Facebook in den frühen 2000er Jahren. Web 3.0 ließ nicht lange auf sich warten. Seit etwa 2014 wird der Begriff mit der Präsenz des „Internets der Dinge“ (Internet of Things / IoT) assoziiert, bei dem die virtuelle Welt mit der realen Welt verschmilzt.
Anhand komplexer Algorithmen verarbeiten Maschinen dabei die von Menschen eingegeben Informationen. Gebrauch finden diese semantischen Netzwerke vor allem in Objekten, die in Alltagssituationen oft genutzt werden.
Ein „Smart Home“ erkennt zum Beispiel, wann der Hausherr oder die Hausherrin zuhause ist und passt z.B. automatisch die Raumtemperatur an. Beim Autofahren unterstützen Assistenzsysteme das sichere Einparken - die klassische „if this then that“-Struktur (wenn dies, dann das) auf Grundlage menschlicher Befehle anhand von Datenfütterung. [2] [3]
Die Chronologie der Zahlen führte sich fort. Arbeitsgeräte und Objekte, die im alltäglichen Gebrauch auf Basis maschinellen Lernens bzw. dem Internet der Dinge im Arbeits- und Privatsektor gefruchtet haben, wurden fortan gerne unter dem Deckmantel der „Industrie 4.0“ beschrieben. 4
Kurze darauf tritt die Künstliche Intelligenz in den Alltag vieler Menschen, obwohl der Begriff per se bereits 1956 vom amerikanischen Informatiker John McCarthy genutzt und erfunden worden sein soll. Auch in den 90er Jahren hat die Künstliche Intelligenz einen heute noch gern angedachten Durchbruch realisiert. 5
Der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow – welcher zu seiner Zeit als einer der stärksten Spieler aller Zeiten tituliert wurde – verlor gegen das von IBM ins Leben gerufene Computerprogramm „Deep Blue“ nach 37 Zügen. 6
An dieses Spektakel wird heute noch gern von Experten zurückerinnert, geht es um einen der ersten Beweise, wie Künstliche Intelligenz die zuvor nur auf menschlicher Intelligenz basierten Abläufe übertrifft und „besser“ darin ist.
KI-Technologien erfuhren in der Vergangenheit bis heute eine Art Konjunktur, was deren Wichtigkeit und Nützlichkeit anbelangte. Spätestens seit der Omnipräsenz der sozialen Medien, Technologien auf Basis maschinellen Lernens und Blockchain scheint KI im Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken.
Alexa und Siri bedienen bereits viele Haushalte. Der Streaming-Riese Netflix „weiß“, welchen Filmgeschmack der Konsument hat und schlägt ähnliche Formate vor. Google Suggest verrät uns, was wir höchstwahrscheinlich suchen möchten, während wir unsere Suchanfrage in der Leiste noch unabgeschlossen eintippen. Facebook und Instagram überströmen User mit personalisierten Werbeangeboten. Und dieListe an Beispielen ist noch sehr lang. 7
Hier sind wir also. Rastlose fragmentierte Aufmerksamkeit trifft auf Reizüberflutung in einem Kokon von immensen Datenmengen, die mit einer deftigen Portion Personalisierung und Automatisierung zubereitet werden. Inwieweit die etwas zynisch dokumentierte „Roboterregierung“ den Arbeitsmarkt der Zukunft verändert und ob diese Veränderung der Menschheit mehr dient oder schadet, wissen wir, wenn es soweit ist.
Fest steht: Polarisierendes erschwert eine differenzierte Betrachtungsweise. Bewertungen variieren von Mensch zu Mensch. Was eine Institution als „gut“ und hilfreich etikettiert, finden andere unethisch und hinderlich. Die Antwort liegt wohl „irgendwo dazwischen“.
So könnte Künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt transformieren
In 20 Jahren soll jeder Zweite ohne Arbeit sein, die heute noch existiert. Stellvertretend soll diese Arbeit automatisiert von computergesteuerten Technologien und künstlichen Intelligenzen oder Robotern erledigt werden. Tritt diese Szenario tatsächlich ein, erleben wir eine 180-Grad-Wendung im Vergleich zur industriellen Revolution. Diese hatte nämlich massenweise neue Arbeitsplätze hervorgebracht.
In der „digitalen Revolution“ hingegen soll die Hälfte aller Jobs wegfallen. Das erinnert an das altfranzösische Sprichwort und den in einem bekannten Bon-Jovi-Song zitierten Satz „the more things change the more they stay the same.“
Diese Annahme beruht nicht auf subjektiven Vermutungen, sondern auf einer Studie der angesehenen University of Oxford über die Zukunft der Arbeitswelt. Konkret sollen in den nächsten 25 Jahren etwa 47 Prozent der heute praktizierenden Jobs in den industriell entwickelten Ländern ersetzt werden. 8
Diese Zahlen können aufgrund der unvorhersehbaren Veränderungen in unterschiedlich rapidem Fortschritt nicht mit Sicherheit als präzise eingestuft werden. Dennoch demonstrieren sie eine Tendenz. Andere Wissenschaftler, wie zum Beispiel die Arbeitssoziologin Sabine Pfeiffer von der Universität Erlangen-Nürnberg, stuft das Ausmaß der abnehmenden Beschäftigungsverhältnisse in Zukunft weniger hoch ein. 9
Dennoch kann mit Hinblick auf den aktuellen Rückgang der Arbeitslosenquote in Deutschland und den Zuwachs an Studierenden als „normalen“ Bildungsweg nachvollzogen werden, dass der eine oder andere Bürger in Gedanken an die Zukunft der Arbeitswelt mit Ängsten und Befürchtungen bestückt ist.
Der Philosoph und Publizist Richard David Precht betont in Bezug auf den Innovationsprozess der Digitalisierung, dass der technologische Fortschritt nicht auf demokratische Weise zustande kommt, sondern von kommerziellen Unternehmen realisiert wird.
Google, Facebook, Amazon und Apple besitzen heute schon Unmengen an persönlichen Daten, die mit der Künstlichen Intelligenz der Zukunft verknüpft werden können. Als negative staatliche Konstellation lebten wir dann weniger in der Demokratie als in einer technokratischen Diktatur, angetrieben durch die digitalen Supermächte. 10
Als positives Szenario prognostiziert der Philosoph im Kontrast dazu eine Arbeitswelt, die aufgrund der automatisierten und durch KI realisierten Prozesse eine berufliche Umgebung schaffen kann, in der nicht mehr für Geld gearbeitet wird, sondern die Menschen als selbstverwirklichtes Individuum zur Geltung kommen – gestützt durch ein aus logischer Konsequenz zur Verfügung gestellten bedingungslosen Grundeinkommens.
Ein Blick auf Beispiele für mögliche Einsatzgebiete der KI in der Arbeitswelt offenbart vor allem Potential für Geschäftsbereiche, die auf dem Erkennen von Mustern, der Verwertung von Daten und den daraus abgeleiteten Aktionen beruhen.
Dies könnte etwa im Verkehr zum Tragen kommen, wo die Künstliche Intelligenz Prognosen anstellt, die Transportwege von Fahrzeugen flüssiger machen. Im Finanzwesen würde KI bei der Steuererklärung helfen oder die Berechnung und den Einzug von Gebühren in verschiedenen Anliegen unterstützen.
Dasselbe trifft auf den Bereich der Sicherheit. Mit Hinblick auf die Verwaltung und Wahrung unterschiedlicher Daten könnte KI zum Beispiel bei Personaldaten, Gesundheits- und Patientendaten, Zertifikate jeglicher Art (wie z.B. Abschlusszeugnisse), datengestützte Polizeiarbeit bei der Terrorabwehr u.v.a.m. unterstützend eingreifen.
Im Rechtswesen könnte KI sämtliche gerichtlichen Prozesse aus den Bereichen des öffentlichen und privaten Rechts erleichtern und beschleunigen. Experten sprechen dabei vom Terminus "Law-to-Action". Ob Künstliche Intelligenz bei Scheidungsanwälten eine unterstützende Instanz darstellt, ist allerdings fraglich. 11
Hinderlich könnte die Künstliche Intelligenz überall da sein, wo Menschen auf sozialer Ebene interagieren und mehr die emotionale als intellektuelle Intelligenz sowie Empathie gefragt sind, mehr flexible Handlungsmuster als monotone Arbeiten, bei denen Mitarbeiter "im Tunnel" sind.
Dies betrifft zum Beispiel Berufe aus sozialen Einrichtungen, in Schulen, bei der Vermittlung von Werten, im Bereich der Alterspflege und so weiter.
Fazit:
Künstliche Intelligenz wird in Zukunft eine noch größere Rolle spielen als dies heute bereits der Fall ist. Prognosen und Studien zeigen, dass immer mehr Geschäftsbereiche durch KI gestützt werden. Ob die Gesellschaft dann wirklich als "Roboterregierung" bezeichnet werden kann oder ob wir diese brauchen, bleibt umstritten.
Wichtig ist, so renommierte Zukunftsforscher, dass Künstliche Intelligenz sich an ethisch-humanistischen Werten orientiert. Damit rückt der Grundstein der Asimov’schen Gesetze (auch Robotergesetze) wieder näher in den Fokus.
Demzufolge darf ein Roboter dem Menschen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zusehen, wie diesem Schaden zugefügt wird. Das ist das erste Gesetz. Zweitens sollen Roboter den Befehlen durch Menschen gehorchen, solange das erste Gesetz damit nicht gefährdet wird. Als drittes Gesetz sollen Roboter ihre eigene Existenz schützen, es sei denn sie verstoßen damit gegen das zweite Gesetz. 12 13
Internationale Großkonzerne wie Google, Amazon, Facebook oder Alibaba nutzen ihre immense Dichte an Daten bereits jetzt für die Forschung mit Künstlicher Intelligenz und dürften im Falle einer möglichen Omnipräsenz von KI führend auf dem Markt sein. Ein Schreckensszenario mit technokratischer Diktatur und Konsumenten als Cyborgs, die den Befehlen der digitalen Supermächte über Chips im Gehirn befolgen, steht weiterhin als Diskussionsgrundlage im Raum.
Quellen und wissenschaftliche Studien:
[1] https://www.agv-bw.de/digitalisierung/entwicklung
[2] https://digitaler-mittelstand.de/trends/ratgeber/internet-der-dinge-eine-kurze-definition-mit-4-beispielen-20287
[3] https://www.upon-onlinemarketing.de/web-2-0-ist-vergangenheit-jetzt-kommt-das-web-3-0/
[4] https://bdi.eu/artikel/news/was-ist-industrie-4-0/
[5] https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/kuenstliche-intelligenz/6810
[6] https://www.welt.de/print-welt/article652666/Computer-schlaegt-Kasparow.html
[7] https://www.welove.ai/de/blog/post/geschichte-kuenstlicher-intelligenz.html
[8] https://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf
[9] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/richard-david-precht-warnt-vor-folgen-der-digitalisierung-15741321-p2.html
[10] https://www.deutschlandfunk.de/die-zukunft-der-arbeit-wir-dekorieren-auf-der-titanic-die.911.de.html?dram:article_id=385022
[11] https://www.verwaltung-der-zukunft.org/transformation/ki-der-oeffentlichen-verwaltung
[12] http://www.roboterwelt.de/magazin/die-robotergesetze-von-isaac-asimov/
[13] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/ranga-yogeshwar-zu-ki-europa-schlaeft-noch/24192170.html
(Buchtipps zum Thema: „Smarte Maschinen – Wie künstliche Intelligenz unser Leben verändert“ oder „Die Herrschaftsformel: Wie Künstliche Intelligenz uns berechnet, steuert und unser Leben verändert.“)